Der lange Anfang

Malen ist die humanste Art, aufzuzeigen – Wie sollen wir die Worte von Holdhaus verstehen? Holdhaus will uns keine Geschichte erzählen, keine Fabelwelten und keine Farbsymphonien vor unserem Betrachterauge entstehen lassen. Seine Bilder sind vehemente Aussagen. Ausrufezeichen! – Allen diesen Bildaussagen gemein ist der Appell an jeden von uns, dem Gefühl, der Wahrnehmung und der Menschlichkeit die Sinne zu öffnen. Denn fühlen, wahrnehmen bedeutet doch, dem anderen sich zuzuwenden, ihn sehen und ihn wirklich, so wie er ist, nehmen. – Holdhaus bedauert, dass der Mensch immer mehr zu intellektualisierten Maschine verkommt, dessen Kopf als Kontrollorgan und Befehlsempfänger den Körper beherrscht. – Sein Ideal ist der auf seine Gefühle, seinen Körper, d.h. auf seine Urinstinkte zurückbesonnene Mensch. Der nichtsprachliche Ausdruck allein sei – so sagt er – das Ehrliche, das Menschliche und das eigentlich Humane.

Malen ist die humanste Art, aufzuzeigen … Holdhaus zeigt auf. Er malt die Menschen mit kleinen Köpfen, mit gewaltigen Körpern. Dabei ist er in seiner Darstellung weder verächtlich noch will er verfremden. Er versucht vielmehr, zum Gefühl, zum Körper zu kommen.- Nun, diese brutal massigen Körper könnten bedrohlich wirken, herrisch als Fragmente ins Bild gesetzt. Aber Holdhaus versöhnt: Er wählt die sanftesten Farben, schafft mit feinen Linien Verbindlichkeit, um diese monströsen Körper und ihren kleinen Köpfen eine Weichheit und Zärtlichkeit zu verleihen, die seiner Liebe zum Menschen Ausdruck verleiht, den Körpern aber vergessene Kraft und Stärke einhaucht, statt Macht und Gewalt zu demonstrieren.

– Holdhaus ist ein Moralist auf doppelter Ebene. In seine stete Mahnung – er hat ihr einen Zyklus gewidmet Zurück zur Urkultur – der Mensch möge sich auf seine Instinkte und sein eignes, vor allem Lernen besessenes Fühlen verlassen, flicht er immer neue, ihn bedrängende Anliegen. – Holdhaus Mitteilungen sind keine Einzelbilder. Es sind Zyklen, Themen, die sich ihm stellen. Malend geht er auf die Reise. Ein Zyklus entsteht in einem einzigen Arbeitsprozeß und kann sich über Tage, ja Wochen hinziehen, eben solange, wie eine Reise dauert. Und malend begreift er, bearbeitet seine Ansicht und formuliert sie. Kehrt er heim, so hat er gelernt, die Welt neu zu sehen. Menschen neu zu erfahren, Freunde neu zu begreifen. Er häutet sich, um mit wachen Sinnen neuen Themen zu begegnen.

In einer seiner umfangreichen Bildserien Jeder hat so seinen Mond , stellt er den Menschen neben diesem Lebensraum: – Mond, Holdhaus steht er als Synonym für etwas unerreichtes, einen Traum. Jahrtausende, menschheitsgedenkenlang war der Mond nicht erreichbar. Zwar, wir haben erlebt, daß Menschen zum Mond fliegen können, aber dennoch ist er nicht eigentlich faßbar, bleibt unberührt. Diese „Reise zum Mond“ ist immer noch das ganz große Abendteuer, das machbare vielleicht, immer aber der Impuls des Handelns, das Faustische. Nicht zwingend erreicht muß etwas sein, sondern der Wunsch zum Erreichen, der vorwärtstreibende Traum, der – „Mond“ – gibt jedem Leben einen, seinen individuellen Sinn. – Und, so verschieden die Wunschträume, so vielfältig der Umgang mit dem Mond, so unterschiedlich sind auch die Darstellungen von Menschen und seinem Mond. Manch einer hält seinen Mond. Andere haben ihn vor sich und erblicken ihn doch nicht, sie können nicht wahrnehmen, sind gefangen in ihrer Diesseitigkeit. Wird hier der Mond ganz irdisch, lustvoll festgehalten, so wird er dort ebenso kriegerisch umkämpft, verteidigt. – Die verbindlichen Linien, sie spannen sich zwischen den Menschen, aber sie erreichen die Monde nicht.

– Holdhaus malt, was und wie er empfindet. Seine Ausdrucksmittel sind kein scharfsinniges Kalkül, die Mittel wählen ihn zum Darsteller. – In einer seiner jüngsten Serien, der der „Frische Früchte“, verzichtet er zunehmend auf die Ganzkörperdarstellung. Scheinbar kopflose Torsi – vornehmlich weiblich- biedern sich an. Sie greifen nach Früchten, bieten sie dar, bieten sich dar. Menschliches Greifen nach Genuß, ausgespielte, aggressive Sinnlichkeit, durch intensive Farben sinnfällig widergespiegelt. Dies ist Holdhaus Antwort auf die emanzipatorische Initiative – die falschverstandene, wohlgemerkt! – der letzten zwanzig Jahre, sein Appell an die Frauen. Frauen und Früchte, frische Früchte, Frauen wie Früchte, pastellfarbene Weiblichkeit gegen grelle Sinnlichkeit. Warum, so fragen diese Bilder, der Angriff der Frauen, diese unzüchtige Zurschaustellung des mytisch verklärt Weiblichen? Frische Früchte sind geerntete Früchte … und wenig später? Doppelter Boden! … Um Holdhaus Bilder zu verstehen, seine Freude am Schöpferischen fühlen zu können, tut es gut, den Menschen Holdhaus zu erkennen. Die Liebe zu seiner Wohn – und Geburtsstadt Wien – siehe seine Signatur – ist lebenswichtiger Aspekt für ihn, ebenso wie das festgewobene Netzt seiner Alltagsfreundschaften. Hier weiß er sich zuhause und schöpft Kraft, um – „auf Reisen zu gehen“. – Liebe und Freundschaft, das sind keine intelligenten Handlungen, da herrscht kein Kopf. Nein, das sind Gefühle, Körper- Wichtigkeiten. So sind auch seine Darstellungen dort am nebensächlichsten, ziehen seine Linien dort vorbei, wo Intellekt sich definiert, und werden groß und wichtig, ja aufdringlich, wo das menschliche Herz sich findet. Holdhaus ist ein fühlender Mensch.

– Carla von Unruh, Wien/ München im Mai 1989

Jahr: seit 1958

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